- Wie sind Sie dazu gekommen, sich, unter anderem, auf den Bereich "Graffiti-Strafrecht" zu  spezialisieren? Selbst mal gesprüht?
Ich verteidige fast alles, von Diebstahl bis zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und ab und zu auch mal ein kleiner Totschlag, aber Graffitiverteidigungen liebe ich. Man hat es mit kreativen Köpfen zu tun, die Stories dahinter sind oft irre und es gibt so viele Szenarien, mit denen man umgehen muss. Wenn man sich mal anguckt, worum es im Kern eigentlich geht – eine Sache anmalen, nicht zerstören, nicht abfackeln, einfach nur Farbe auftragen, ist es völlig unverständlich, was da alles an Polizeimaßnahmen aufgefahren wird. Überwachungen mit Nachtsichtgeräten, Bewegungsmeldern, Festnahmen, Verfolgungen mit Wärmebildkameras, Beschlagnahmen von allem, was nicht niet- und nagelfest ist, Hausdurchsuchungen, Observationen, Fingerabdruck-, Schriftvergleichs- und DNA-Gutachten, Auswertungen von Datenträgern inklusive Wiederherstellung gelöschter Daten – das ist ja eine Endlosserie. Dagegen zu verteidigen reizt. Und ja, ich habe auch mal gemalt, habe auch einen vor den Bug bekommen und leider Kontakt mit Anwälten gehabt, die einfach nur schlecht waren. Als ich später Anwalt war, habe ich deswegen ganz genau gewusst, wie ich nicht sein will.

- Warum gibt es für Antistyle kein lebenslänglich?
Am besten mit anschließender Sicherungsverwahrung. Nein Spaß beiseite, Style ist ja so ein Ding. Morgens lacht man noch über die schlechten Outlines, abends ist es dann plötzlich „in“ mit Standard Caps zu malen in übelster uralt-Sparvar Manier. Der, der Antistyle bestrafen würde, müsste ja Angst haben, dass er der Nächste ist, wenn sich der Geschmack wieder ändert. Besser jeder hat die Freiheit, zu testen, auch mal ins Klo zu greifen und trotzdem weiter performen zu können ;)

- Reichen zurückgelassene Dosen, Handschuhe, Masken oder anderes Equipment, auf denen Fingerabdrücken gefunden werden, als Beweismittel für eine Verurteilung aus, wenn man ansonsten nicht erwischt wurde und es auch sonst keine weiteren Beweise gibt?
Das sind erstmal nur Beweise dafür, dass man die Gegenstände in der Hand gehabt hat. Je mehr Gegenstände es aber sind und je exklusiver die Fingerabdrücke sind - wenn also keine Fingerabdrücke anderer Personen da drauf sind – würde das bei vielen Richtern für eine Verurteilung reichen. Vor allem, wenn man keine plausible Erklärung hat, wie die da drauf gekommen sind. Ich hatte sogar schon Verfahren, in denen der Richter selbst dann nur zähneknirschend freigesprochen hat, obwohl tatsächlich nur Fingerabdrücke an einer Dose vorhanden waren und wir natürlich gesagt haben, die müssen wohl aus dem Dosenladen sein, als man die Kanne mal in der Hand gehabt hat. Reichen würden solche Fingerabdrücke aber auf jeden Fall erstmal für eine Hausdurchsuchung, wenn die Fingerabdrücke in der Datenbank sind und man sie zuordnen kann. Wenn man dann noch weitere missverständliche Dinge zu Hause hat, schließt sich langsam der Kreis.
- Wann verjährt Graffiti/Sachbeschädigung?
Grundsätzlich nach 5 Jahren – ABER: Es gibt zahlreiche Unterbrechungsmöglichkeiten, z. B. die erste Vernehmung des Beschuldigten, die Anklage, die Eröffnung des Hauptverfahrens – und jedes Mal beginnt die Verjährungsfrist von vorne. Auf der sicheren Seite ist man auf jeden Fall erst dann, wenn die doppelte Verjährungsfrist erreicht wurde, also nach 10 Jahren.

- Können graffitibezogene Verurteilungen zu Einreisehürden in bestimmten Ländern führen? Haben Sie dazu Erfahrungswerte mit eigenen Mandanten? Falls ja, was kann ein Betroffener dagegen tun?
Dazu habe ich überhaupt keine Erfahrungswerte, was allerdings dafür spricht, dass eine deutsche Verurteilung wegen Graffiti kein großes Problem darstellt. Sonst hätten sich bestimmt schon einige Maler gemeldet.

- Was war die "härteste", Ihnen bekannte Strafe für ein Graffitivergehen in Deutschland?
Ich weiß von Anwaltskollegen, dass manche Maler Haftstrafen bekommen haben, weil sie unter laufender Bewährung standen und die Finger nicht vom Lack lassen konnten. Das waren meistens Strafen unter einem Jahr. Bei mir selbst hat noch kein Maler – alleine wegen des Malens – eine Haftstrafe ohne Bewährung bekommen.

- Welche Art der Bestrafung ist bei illegal angebrachten Graffitis häufig?
In der Regel kommt eine Geldstrafe heraus, wenn es denn zu einem Urteil kommt. Die Höhe der Strafe richtet sich dann nach dem persönlichen Einkommen, Vorbelastungen, dem entstandenem Schaden etc. Unser Ziel ist aber immer, eine Anklage schon früh zu vermeiden. Selbst in einem Gerichtsverfahren kann noch eine Einstellung erfolgen und zwar selbst dann, wenn die Schuld feststeht. Alles eine Frage der Taktik.

- Kann ein Style mit "künstlerischen" Aspekten strafmildernd sein, im Vergleich zu "Schmierereien"?
Ja, das habe ich schon erlebt. Das ist zwar eigentlich kein gesetzlicher Strafmilderungsgrund, aber für viele Staatsanwälte und Richter ein „menschlicher“. Je „schöner“ und am besten figürlicher ein Bild ist, umso eher tritt dieser Effekt ein.

- Erfüllen Kreidegraffitis auf fremdem Eigentum auch den Straftatbestand der Sachbeschädigung?
Wenn es „normale“ Kreide ist, nein. Kreide wurde ausdrücklich aus der Strafbarkeit genommen, sonst wäre ja jedes 14jährige Mädchen, das „Himmel-und-Hölle“ auf den Gehweg malt, mit einem Bein im Knast. Bei Ölkreide sieht die Sache schon wieder anders aus, weil die nicht so leicht von selbst vergeht. Ich habe auch mal wegen der Verwendung von Kreidespray bei zig Staatsanwaltschaften angefragt, ob das denn ihrer Ansicht nach strafbar ist. Man sieht ja immer mal wieder im Wahlkampf so hässliche Kreidesprayschablonen von irgendwelchen Parteien. Aber keine einzige Staatsanwaltschaft hat dazu konkret Stellung bezogen. Deswegen kann ich nur vermuten, dass man da gute Chancen hätte; einen Präzedenzfall kenne ich allerdings nicht.

- Was darf ein Graffitibedarf-Händler im Bezug auf Graffitisupport nicht machen? Wo fängt die Anstiftung zum Begehen einer Straftat an?
Anstiftung ist es dann, wenn man einen anderen zu einer Straftat „bestimmt“, also bei jemandem, der vielleicht nur allgemein geneigt ist, Farbe auf fremdem Eigentum zu verwenden, den Entschluss hervorruft, „Jetzt mache ich es wirklich!“. Allgemeine Hinweise, welche Farben gut decken, schwer zu entfernen sind etc. reichen nicht aus. Problematisch wären sicher Hinweise zu guten Spots oder wenn man bei dem anderen Bedenken ausräumt, die er noch hat.

- Was sollten illegal-agierende Writer beachten, wenn sie ihre Bilder über Instagram teilen?
Da kommen wir ein bisschen an den letzten Punkt: Ich kann schlecht sagen, was sie beachten sollen, damit sie keinen Ärger bekommen, weil man das – mit ein wenig negativer Einstellung – als psychische Beihilfe interpretieren könnte. Aber Fakt ist ja, dass alles, was man als Krimineller digital macht, ob über Facebook, Instagram, You Tube oder andere soziale Medien, in der Welt ist, gesehen und zugeordnet werden kann, z. B. anhand von Wagennummern. Wenn man außerdem so nett ist, sich gleich mitabzubilden, habe ich das auch schon erlebt, dass Größenschätzungen erfolgt sind oder Tattoos abgeglichen wurden. Muss jeder selbst wissen, wie nackt er sich machen will.

- Was würden sie einem Mandanten raten, bei dem gerade eine Wohnungs-/Hausdurchsuchung durchgeführt wird?
Durchatmen, jetzt kann man eh nichts mehr verschwinden lassen. Klappe halten, auch kein Smalltalk. Auf einen Durchsuchungszeugen bestehen. Sich eine Kopie des Durchsuchungsbeschlusses geben lassen, wenn er schriftlich vorliegt. Keinen Widerstand leisten. Das Beschlagnahmeprotokoll durchlesen – nicht, dass etwas fehlt oder versehentlich mehr darauf steht, als man wirklich besessen hat – und da, wo Unterschrift steht, WIDERSPRUCH eintragen. Einfach um Missverständnisse auszuschließen. Auf der ersten Seite des Protokolls darauf achten, dass nicht „aus Versehen“ beim Einverständnis mit der Durchsuchung, Mitnahme und Durchsicht der Speichermedien „Ja“ angekreuzt ist – denn wer ist schon damit einverstanden, wenn Fremde in seinen Sachen stöbern? Eine Durchschrift des Protokolls geben lassen. Versuchen, den Anwalt anzurufen. Wenn alle weg sind, eine Kippe rauchen, einen Kaffee trinken und dem Anwalt die Sachen schicken.

- Schaffen es anerkannte Kunst-/Schriftsachverständige, im Rahmen der Strafverfolgung, Original-Graffitis eines Writers von Kopien zu unterscheiden und wie viel Einfluss kann ihr Urteil auf die Entscheidung eines Richters haben?
Manche behaupten das von sich, vor allem in Bayern und vor allem bei Tags. Und deren Wort hat erstmal vor Gericht Gewicht, bis ein Anwalt das Gutachten zerreißt bzw. einen ernsthaften Schriftsachverständigen vom BKA hinzuzieht. Dann halten die meisten Gutachten nicht mehr. Es gibt Richtlinien, die der Anwalt kennen sollte. Die meisten solcher Schriftgutachten halten sich nicht an die Richtlinien und da kann man meistens ansetzen.

- Wie oft kommt es bei Graffiti-Staftaten anhand von DNA-Spuren zu Verurteilungen? Worauf sollte man achten?
DNA Gutachten sind sehr belastend. Wie will man einem Richter erklären, dass die eigene DNA überall an Caps, Beuteln und Handschuhen – am besten noch innen – ist, vor allem wenn man einschlägig vorbelastet ist? Alles nur Zufall? Es ist nicht das, wonach es aussieht? Richter glauben dann eher den Polizisten. Und die sagen, nach kriminalistischer Erfahrung war er es. Die Welt ist doch eine Scheibe und schwarz/weiß ist alles einfacher. Also sollte man aufpassen, wenn man z. B. an der legalen Hall Caps ohne Handschuhe anfasst oder halbleere Kannen im Mülleimer entsorgt. Oder mit Handschuhen aushilft. Oder im Dosenladen eine Dose nach der anderen in die Hand nimmt um zu gucken, ob die Farben für den Background passen, um sie dann – mit der eigenen DNA-Marke – wieder zurückzustellen. Es ist vollkommen egal, ob an den Kannen Fingerabdrücke sind, wenn sich DNA darauf findet, hat man ein Problem.

Back to Top